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Geschichte einer Flucht

Wie und warum ich als Flüchtling nach Nairobi kam

Ich heisse Chantal Murekatete (Name geändert), bin 52 Jahre alt und komme aus Ruanda. Vor dem Genozid im Jahre 1994 lebte ich in Kigali mit meinem Mann und meinen acht Kindern, drei Maedchen und fuenf Buben. Es war ein gutes und harmonisches Leben. Mein Mann war Major in der Armee und Chef des Protokolls in der Regierung Habyarimana. Ich selber war, fuer ueber 15 Jahre, Direktionssekretaerin in einem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (RNUD) in Kigali.

Als im April 1994 der Krieg ausbrach, war mein Mann fuer eine Mission nach Tansania verreist, wo er drei Monate lang, vom April bis Juli, blockiert war. Allein gelassen mit meinen Kindern floh ich in den Norden des Landes, nach Gisenyi, wo wir in einer Familie von 40 Personen lebten. Nach zwei Monaten wurde uns jedoch die Tuere gewiesen und wir irrten umher ohne zu wissen wohin. Mein Mann kam dann im Juli zu uns, und als der Krieg auch Gisenyi erreichte, flohen wir alle zusammen m Richtung Bukavu/Kongo. Dort kamen wir in einem Fluechtlingslager unter und ich fand Arbeit beim World Food Programme, sodass unsere Kinder wieder in die Schule gehen konnten.

1996 brach der Krieg auch im Kongo aus, sodass wir in den Regenwald fluechteten. Taeglich liefen wir neun Stunden lang westwaerts, im Regen und mit all unserem Gepaeck. Unsere Nahrung bestand lediglich aus Colocase (einem Knollengewaechs) und Maniok, wobei dessen Blaetter als Gemuese dienen musste. Alles fehlte: Salz, Oel, Seife, Zucker. Der Urwald war so dicht und kalt, dass wir waehrend eines ganzes Jahres keinen Sonnenstrahl sehen konnten. Zu all diesem Ungemach kam die Verfolgung durch den Feind. Tausende von Menschen starben infolge von Gewehrfeuer, Hunger und Krankheit und beim Durchwaten von Fluessen, es war emfach schrecklich. Bei jedem Halt wurde man aufgeschreckt und disloziert durch Gewehrsalven und Bomben; man liess einfach alles liegen, oft sogar Kleinkinder.

Wir bewegten uns in Richtung Kisangani, als uns der Feind ueberholte und uns bei jeder neuen Bruecke den Weg abschnitt. Bei Walikare mussten wir wieder in den Wald umkehren, in Richtung Masisi, einer Gegend mit einheimischer Bevoelkerung, wo es jede Art von Krankheit, aber keine Medikamente gab, Kopfmalaria, offene Wunden auf dem ganzen Koerper, Vergiftungen, seelische Traumata, kompletes Durchdrehen. Es blieb uns nur noch das eigene Kleid, weshalb das Fehlen von Hygiene zu Auschlaegen fuehrte und das Ungeziefer sich auf uns breit machte.

In Masisi mehrten sich die feindlichen Angriffe und wurden staendig gefaehrlicher. Es kam vor, dass man einen ganzen Tag lang ueber menschliche Kadaver ging, es war fuerchterlich. Diese Tragoedie wurde noch verstaerkt dadurch, dass Familienmitglieder von einander getrennt wurden, denn jederman rannte bei einem Ueberraschungsangriff in eine andere Richtung, und man fand sich oft erst wieder nach 4 bis 5 Monaten. Oft lief man durch den Urwald im Glauben, vorangekommen zu sein und merkte am dritten oder vierten Tag, dass man im Kreis gegangen war. Im Juli 1997 wurde mein Mann bei einem Angriff verletzt und verschied fuenf Monate spaeter, im Dezember des gleichen Jahres, nach fuerchterlichen Schmerzen. Moege das Land seiner Ahnen ihm ein weiches Bett gewaehren! Mein Leben war ausser Rand und Band geraten, dieser Urwald und all das Unglueck. Im Februar 1998 beschloss ich, den Wald mit meinen sechs Kindern zu verlassen, nachdem zwei meiner Toechter vermisst waren. Die eine tauchte ein Jahr spaeter wieder auf, die andere im Jahr 2001, zusammen mit einer meiner Nichten.

Kaum in Bukavu angekommen, brach der Krieg zwischen Ruanda und dem Kongo zum zweitenmal aus. Wohltaeter halfen uns, nach Nairobi zu fliehen. Das Leben hier in Kenya is sehr schwierig; eine Arbeit zu fmden ist unmoeglich, die Hausmiete ist sehr hoch und fast nicht bezahlbar. Ohne Einkommen ist es sehr schwer, eine so zahlreiche Familie zu emaehren und fuer das Schulgeld der Kinder aufzukommen.

Wir leben nur durch Gottes Guete, als Bettler und in Not. Zur jetzigen Familie gesellen sich noch andere Verwandte, die aus Ruanda fliehen mussten. So sind wir zZ eine Familie von neun Personen, ohne jede Protektion durch UNHCR (United Nations High Commission for Refugees). Und natuerlich werden wir auch von der Polizei drangsaliert, weil wir uns ohne offizielle Dokumente nicht ausweisen koennen.

Dies als Kurzfassung einer langen Tragoedie...

Chantal Murekatete

Nairobi, Oktober 2001

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